Sprechen Sie Roboter? „Ab jetzt“ schon!

Ab jetzt//Deutsches Schauspielhaus Hamburg//25. März 2015

Nachdem ich zahlreiche positive Kritiken über das neue Stück „Ab jetzt“ von Karin Beier, Intendantin des Deutschen Schauspielhauses Hamburg gelesen und gehört hatte, warf ich meinen anfänglichen Zweifel, mir nach „Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino“ schon wieder ein Stück von Beier anzuschauen, über den Haufen. Nicht dass mir das letzte Stück von Beier nicht gefallen hätte, ganz im Gegenteil aber natürlich strebe ich hier auch eine gewisse Vielfalt an. Nun ja, zudem war ich ja auch gespannt darauf, wie Beier sich so in Sachen Komödie macht. Komödien rangieren nicht unbedingt auf den vorderen Plätzen meiner Lieblingsgenre, aber mit Spannung ließ ich mich darauf ein.

Kurz zur Handlung: 

Der leicht verschrobene, einzelgängerische Komponist Jerome lebt in einem wenig einladendem Viertel und hat sich dort in einem „Hochsicherheitsloft“ verschanzt. Menschliche Kontaktaufnahmen, die ihn nur durch ein Videotelefon erreichen, ignoriert er mit Desinteresse und im Falle eines alten, verzweifelten Freundes, der inmitten einer Lebenskrise eigentlich seine Hilfe braucht, auf schockierend egoistische Weise. Jerome selbst steckt in einer Schaffenskrise und verzweifelt an der Kreation einer neuen Komposition. Sein Arbeitsprinzip ist das Sampeln und Modulieren von Alltagsgeräuschen und Sprachfetzen. Dafür zeichnet er in seiner Wohnung permanent Geräusche auf.

Grund für seine Krise: Seine Frau hat ihn verlassen, seine Tochter darf er nicht sehen. Nun muss er seiner Frau und einem ranghohen Mitarbeiter des Jugendamtes beweisen, dass er sich verantwortungsvoll um seine Tochter kümmern kann. Über eine Agentur versucht er eine „Mietfrau für einen Tag“ zu finden, die ihm die perfekte Lebenspartnerin mimt. So kommt die emotional labile, hysterische aber liebenswürdige Schauspielerin Zoe in Jeromes Wohnung und für wenige Stunden auch in sein (Liebes)leben. Da ist aber auch noch GOU 300 F, eine äußerlich fast makellose Roboterdame, die von Jerome quasi vor der Verschrottung gerettet wurde und die sich der Menschenfrau im Kampf um den Mann nicht so einfach geschlagen gibt. GOU hat mit zahlreichen Bugs zu kämpfen. Eigentlich auf die Erziehung von Kindern spezialisiert, kann sie als Hausfrauroboter nicht wirklich überzeugen. Am Ende bekommt GOU irgendwie den Mann, muss sich dafür aber ganz schön verbiegen. Beim Besuch von Jugendamtbeamten, Ex-Ehefrau und Tochter gewinnt sie alle Herzen, kommt jedoch systemtechnisch ganz schön durcheinander…

Das Hamburger Abendblatt hat in seiner Rezension vom 2. März folgendes geschrieben:

Eigentlich müsste jede Schauspielerin, die bei einigermaßen klarem Verstand ist, tagtäglich vor dem Intendantenbüro herumlungern und darum betteln, dass die Theaterleitung doch bitte und am besten sofort „Ab jetzt“ von Alan Ayckbourn auf den Spielplan setzen möge. Weil es ein so großartiges Stück ist? Weil es den Zeitgeist einordnet, die Gesellschaft analysiert? So richtig mit Tiefgang und Aussage und Haltung und Ewigkeitswert? Ach was. Weit weg davon! 

 

Ab jetzt - Deutsches Schauspielhaus Hamburg

Damit hat der Redakteur den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn, so lautet sein Kommentar inhaltlich weiter, sei dies eine Komödie, die eine perfekte Spielwiese für Schauspieler und Regisseure bietet, die Komödie „können“. Komödien zu inszenieren und zu spielen gehört meiner Ansicht nach zur höchsten Kunst im Theater. In keinem Genre steht und fällt die Qualität einer Inszenierung so sehr mit dem Fingerspitzengefühl des Regisseurs. Das Timing muss richtig sitzen und gleichzeitig sollte der Schauspieler den schmalen Grat zwischen Humor, Klamauk, Slapstick und Albernheiten beherrschen, so dass am Ende richtig gutes Theater rauskommt, welches einem Hause wie dem Schauspielhaus würdig ist.

Dies meistern Beier und ihr Ensemble souverän. Obwohl die Schauspieler wiederholend gegen Wände laufen (à la Dinner for one), Komponist Jerome die Roboterdame mit lustigen Science Fiction Funkendeffekten umbaut und die künstlichen Gelenke von GOU für die Zuschauerohren gefährlich knacken lässt – es ist nicht drüber über die Grenze des äußerst niveauvollen Boulevardtheaters. Und jetzt kommen wir zum absoluten Höhepunkt dieser Inszenierung: Lina Beckmann und Ute Harnig teilen sich die Rolle der Roboterdame GOU und mimen zudem die Rolle der Schauspielerin Zoe (Lina Beckermann) und von Jeromes Ehefrau Corinne (Ute Harnig). Beide spielen den Androiden so überzeugend fantastisch, dass man denken könnte, ihnen wurde vorab für die Dauer der Vorstellung ein kleiner, künstlicher Chip eingebaut. Auch choreografisch und bewegungsdarstellerisch liefern beide eine Höchstleistung ab. Lina Beckermann räumt allerdings an diesem Abend gleich zweimal ab, da auch ihre Darstellung der Schauspielerin Zoe so liebenswürdig überzeichnet (hysterisch, neurotisch, Liebe suchend), aber auch authentisch war. Zugegeben, der trockene Kommentar meines Freundes am Ende lautete nur: „Die Rothaarige hättest Du auch spielen können.“ Mhm gut, weiter im Text.

Ich als „Theaterinszenierungsinterpretationstrüffelschweinchen“ habe natürlich während des Stücks auch nach einem höheren Sinn, die Frage nach der gesellschaftlichen Kritik gesucht. Aber mal ernsthaft, muss das denn immer sein? Kann man sich nicht auch mal in einem renommierten Haus im Zuschauersessel niederlassen und sich einfach nur unterhalten lassen?

Wenn man ein gesellschaftskritische Spitze erkennen möchte, wäre es wohl diese: Wer ist denn hier berechenbar und wer unberechenbar – Maschine oder Mensch? Eine richtige Antwort habe ich darauf zwar nicht bekommen und ich weiß auch nicht, ob Karin Beier mich überhaupt dazu anregen wollte, darüber nachzudenken. ABER gelacht habe ich – so richtig!!!

Die nächste Gelegenheit, sich „Ab jetzt“ anzuschauen, bietet sich am Karsamstag, 4. April. Alle Betriebsprogramme auf: HINGEHEN, ANSCHAUEN!

Bis bald auf der buehhne!

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