Das Gesellenstück des Lloyd Riggins!

Napoli//Hamburger Staatsoper, Hamburg Ballett//11. Januar 2015

Ich bin großer Fan von Lloyd Riggins, erster Solist am Hamburg Ballet und mittlerweile stellvertretender Ballettdirektor, seitdem ich ihn 2013 im Stück Purgatorio von John Neumeier gesehen habe. Er gehört zwar mit mittlerweile 45 Jahren vielleicht nicht mehr zu den athletischsten Tänzern des Ensembles. Ich war aber von seiner tänzerischen Reife und Intensität sehr beeindruckt. Deshalb liegt es für mich nahe, auch seine Karriere als Ballettdirektor und Choreograf weiter zu verfolgen.

Mit Napoli hat Lloyd Riggins ein romantisches Ballet nach Hamburg gebracht, das in seiner Vita als Tänzer eine wichtige Rolle spielt. Als 18-Jähriger kam der US-Amerikaner an das Königlich Dänische Ballet, wo er trotz seines Alters schnell zum Ersten Solisten aufstieg, der jüngste in der Geschichte der Kompanie. Schnell kam er dort mit dem Stück Napoli von August Bournonville in Kontakt, welches eng mit der Geschichte des dänischen Balletts verbunden ist. 1992 durfte Riggins die männliche Hauptpartie Gennaro übernehmen. Deshalb ist es nur konsequent, dass Neumeier für Riggins erste Choreographie am Haus Napoli auf den Spielplan setzte.

Kurzer Abriss der Handlung, die zugebenen eher sekundär und deshalb schnell erzählt ist:

Eine junge Frau und ein Fischer, Teresina und Gennaro, lieben sich. Die Mutter möchte ihre Tochter lieber mit einem wohlhabenden Händler verheiratet wissen. Die Beiden können die Mutter überzeugen, das Dorf feiert die Verlobung und das Paar fährt zu einer romanischen Bootsfahrt hinaus aufs Meer. Das Boot kentert, er wird an Land bespült, sie bleibt verschollen. Das Dorf trauert, doch er will den Tod seiner Geliebten nicht akzeptieren. Mit dem Segen des Pfarrers begibt er sich auf die Suche. Tatsächlich findet er sie, in den Händen eines Meergeistes, der sich einen Harem aus Seelen von auf See verschollenen Mädchen hält, die Najaden. Auch Teresina ist zu einer Najade verwandelt worden. Doch durch die Macht der Liebe wird sie wieder menschlich. Teresina und Gennaro kehren nach Neapel zurück und heiraten – begleitet von einem großen Freudenfest.

Der erste und der dritte Akt sind von August Bournonville ursprünglicher Choreographie vollständig erhalten. Für den zweiten Akt wurde Riggins vor die Herausforderung gestellt, die Klammer mit seiner eigenen Handschrift zu füllen, ohne einen künstlerischen Fremdkörper zu schaffen.

Der erste und dritte Akt sind geprägt von einem volkstümlichen Stil, mit vielen Gruppenformierungen, wechselnden Pas de Deux, vielen Sprüngen. Hier ist das Ensemble mit großer Freude dabei, vielleicht gerade deshalb, weil dieser Tanzstil für die Kompanie nicht auf der Tagesordnung steht. Besonders beim Feuerwerk-Ende gilt das Prinzip: Wer hat noch nicht, wer will nochmal! Das mag ein Feuilleton-Kritiker der Welt ‚fade und beliebig finden‘, ich als „normaler“ Zuschauer habe es genossen.

Foto: Holger Badekow

Der zweite Akt in der Grotte hebt sich, so ist es aber auch im Ursprungsstück angelegt, dramaturgisch ab. Die Stimmung wird skandinavisch-düster, mysteriös. Das Bühnenbild, bestehend aus neonfarben ausgeleuchteten Soffittenschnüre, die in Grottenform geschnitten sind. Die Formen finden sich auch in den Kostümen der anmutigen Najaden wider und unterstützen den fließenden und grazilen Tanzstil des Ensembles im zweiten Akt. Hier hat Riggins eine moderne tänzerische Sprache gefunden, die sich zwar vom Rest abhebt, aber nicht als Fremdkörper wirkt. Dass der Meergeist Golfo stark an den Kultpiraten Jack Sparrow erinnert, ist ein intendierter oder auch nicht intendierter Gag, auf den ich hätte verzichten können. Die Modernität des zweiten Aktes festigt sich in anderen Faktoren.

Wer sich Napoli noch anschauen möchte, hat in dieser Spielzeit noch genau EINMAL die Gelegenheit dazu, am Mittwoch, 1. Juli. In Napoli erlebt man das Hamburger Ballettensemble mal ganz anders und Fans des klassischen Handlungsballetts sollten dieses Stück auf keinen Fall verpassen. Wer einen Eindruck bekommen möchte: hier

Ich für meinen Teil freue mich sehr auf die kommenden Choreographien von Lloyd Riggins, bei denen er dann noch größeren Spielraum erhält, den Schritt vom Tänzer zum Choreographen/Ballettdirektor zu machen.

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